Was dem Menschen am heiligsten ist

Ausstellung

Für die Gesundheit tut der Mensch fast alles. Die Ausstellung «Hauptsache gesund» im Stapferhaus  zeigt eindrücklich und interaktiv, was das in der heutigen Zeit bedeutet. 

Das Personal an der Museumskasse trägt grüne medizinische Kittel und schickt die Ausstellungsbesucherin erst mal ins Wartezimmer. Nach kurzem Aufenthalt tönt eine unpersönliche Stimme aus einem Lautsprecher: «Der Nächste, bitte.» 

Durch einen von Vorhängen gesäumten, gewundenen Gang geht es in einen ersten Ausstellungsraum, vorbei an Stationen, wo sich Vitalfunktionen und Sinne testen lassen. Auf plüschigen Sitzen kann man lauschen, wie Menschen über die alltägliche Frage «Wie geht’s dir?» denken. Ihre Aussagen und Ansichten sind erstaunlich vielschichtig.

Die neue Ausstellung des Stapferhauses Lenzburg nähert sich dem Thema Gesundheit von verschiedenen Seiten und ist, ähnlich wie die vorangehenden Ausstellungen «Natur» oder «Geschlecht», ein interaktiver und lehrreicher Wissens- und Erlebnisparcours. «Hauptsache gesund» heisst sie, doch meistens geht es eigentlich um Krankheit, wie sich beim Rundgang herausstellt. So ist das eben im «Gesundheitswesen». 

Auf die Untersuchung folgt natürlich die Diagnose: Wie beim Arztbesuch oder in einer Therapie setzt man sich an Tische oder auf Sofas und hört Betroffenen in Videos zu, die von ihrer Krankheit und ihrem Umgang damit erzählen. Das führt den Besuchern eindrücklich vor Augen, dass man vielen Menschen ihr Leid gar nicht ansieht. 

Ein Perspektivenwechsel gelingt, wenn der Arzt und Psychotherapeut Joram Ronel die Herausforderung beschreibt, einen schwerwiegenden Befund mitzuteilen. Viele Ärzte verspürten davor eine grosse Angst und fragten sich: «Wie kommt die Person damit klar? Was, wenn ich mit der Diagnose falschliege?» Das Verhältnis zwischen Arzt und Patient sei weniger eindeutig, als viele zunächst annähmen. 

Ideen für Lehrpersonen

Gesundheit, Körpergefühl, Psyche und Self Care beschäftigen auch Kinder und Jugendliche. Religionspädagoge Simon Pfeiffer von der reformierten Landeskirche Aargau begleitet am 13. Juni einen geführten Rundgang. Dabei zeigt er auf, wie die Ausstellung aus religionspädagogischer Perspektive mit Jugendlichen erlebt und erkundet werden kann.

Infos und Anmeldung bis 23. Mai 2025  hier 

Im nächsten Raum «Behandlung» wird dann spürbar: Gesundheit und Krankheit passieren uns, wir können sie nur bedingt steuern, versuchen es aber mit allen Mitteln. Dieser grösste Teil der Ausstellung zeigt eine Auslegeordnung, was der Gesundheitsmarkt alles zu bieten hat: von «Medikamenten» und «Operationen» über «Fitness» oder «Psychotherapie» bis hin zu «Pflege und Fürsorge» oder «Public Health», um nur einiges zu nennen. 

Die Ausstellung regt dazu an, sich nicht nur mit der eigenen Gesundheit auseinanderzusetzen, sondern auch mit dem Gesundheitssystem. Dieses kann wie der Mensch kranken. Im Notfallraum liegt es deshalb auf dem Operationstisch, der Fall ist komplex, die Risiken gross. Braucht es mehr Technologie? Mehr Prävention? Gestärktes Personal? Weniger Bürokratie? Die Besuchenden treffen an Beistelltischchen gemeinsam Entscheidungen. Offen bleibt, ob die Vorschläge mehrheitsfähig sind.

Nur am Rand thematisiert wird die existenziell-spirituelle Dimension von Krankheit oder Gesundheit. Zwar sind die Katholische und die Reformierte Kirche Aargau Partnerinnen von «Hauptsache gesund» und wurden bei den Vorrecherchen zur Ausstellung befragt, die Spitalseelsorge etwa hat jedoch in der Ausstellung keinen Platz gefunden – ein Symptom für das Ringen der Kirchen um ihren Stellenwert? 

Nach drei Stunden gäbe es noch immer viel zu erfahren, doch der Kopf ist voll und die Massagestühle im Wellnessbereich ständig besetzt. Zeit für den «Austritt». Nach dem Gewusel in der «Behandlung» ist es hier wohltuend ruhig. Zwei Hebammen und eine Sterbebegleiterin sprechen über den ersten und letzten Atemzug. Diese bleiben trotz allen Entwicklungen auch weiterhin «das grosse Geheimnis, ein heiliger Moment». Veronica Bonilla Gurzeler

Bis 26. Oktober 2025. www.stapferhaus.ch

Podiumsgespräch Care: Was sind uns Pflege und Fürsorge wert?

In der Schweiz leisten rund 330 000 Angehörige unbezahlte Pflegearbeit. Mit welchen Hürden kämpfen sie, was gibt ihnen Zuversicht? Und was ist ihre Arbeit uns allen wert? Im Podiumsgespräch mit Marah Rikli geht es um Situationen, in denen Angehörige an ihre Grenzen kommen. Rikli spricht aber auch um die Bereicherung und den Perspektivenwechsel, die ein Leben abseits der Norm mit sich bringen. Marah Rikli ist Journalistin und Mutter zweier Kinder. Sie schreibt unter anderem über das Leben mit ihrer Tochter, die eine Behinderung hat.

23.Februar 2025, 11.15 Uhr, Stapferhaus

Eintritt CHF 10 / erm. CHF 5

Infos hier

OSZAR »